Genau zwei Monate ist es nun her, dass sich zwei frisch gebackene Abiturienten, die sich im Grunde nicht kannten, gemeinsam auf große Tour begaben: Eine Extremwanderung von 900 Kilometern, 14 bereiste Länder und jede Menge Spontanität.
Diese zwei jungen Menschen waren wir. Es ist unfassbar, wie viel wir erlebt haben… wie vielen extremen Wetterlagen wir standhielten, welche körperlichen Grenzen wir zu spüren bekamen und wie wir das einfache Leben mit all seinen kleinen Glücksmomenten Tag um Tag lieben lernten.
Wenn wir nun zurückdenken an den Anfang unserer Geschichte, können wir kaum glauben, wie alles so gekommen ist und wie viel sich mit der Reise doch für uns verändert hat. Auch wenn wir natürlich noch dieselben sind, fühlen wir uns doch auch wie zwei neue Menschen. Und nein, das liegt nicht etwa daran, dass wir mittlerweile 20 geworden sind oder, dass unsere Füße nun mit neuen steinharten Hornhautplatten versehen sind. Es kommt eher daher, dass das Leben mit „sehr wenig“ auf dem Alpe- Adria – Trail, auf dem wir uns jeden Tag mehr kennen gelernt haben, sehr prägend war. Wir konnten unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Reisen (und auch die Leidenschaft fürs Extreme) voll ausleben, haben jede Schwierigkeit gemeinsam gelöst und all die unvergesslichen Momente miteinander geteilt.
Vor drei Monaten hätte noch keiner von uns beiden erahnen können, was uns diesen Sommer erwartet… Wie auch? Schließlich wussten wir nicht mal von uns, dass der Andere überhaupt existiert. Doch bereits nach unserem ersten Treffen am verregneten 16. Juni spürten wir es beide schon: Dass das der Anfang etwas sehr Großem, sehr Verrücktem und sehr Schönem sein würde.
Und mit diesem ganz besonderen Gefühl im Gemüt stürzten wir uns Hals über Kopf hinein… Als wir am 11. Juli in den Zug stiegen war das sozusagen unser fünftes Treffen! Naja, aber eigentlich fühlte es sich auch gleichzeitig sowieso die ganze Zeit schon an, als würden wir uns ewig kennen. Dass wir bei unserem Kennenlernen zahlreiche Gemeinsamkeiten entdeckten (vom sportlichen Interesse bishin zur Vorliebe für Kakao anstatt Kaffee) oder oft Dinge im gleichen Moment dachten, schien gar nicht mehr aufzuhören und das mit dem „gleichzeitig denken“ dauert sogar bis heute an.
„Unser fünftes Treffen“ war wahrscheinlich mit einer Dauer von 62 Tagen auch das längste fünfte Treffen überhaupt auf der Welt und sicherlich das, mit den meisten Erlebnissen. Am Fuße des Großglockners waren wir (und auch die Klamotten) noch ganz frisch und wir ahnten nicht im Geringsten, was uns doch tatsächlich erwarten würde. Wir freuten uns einfach sehr, dass es losging: Unser ganz eigenes Abenteuer! Wir waren voller Elan und machten vor allem jede Menge Fotos mit unseren blau verspiegelten Sonnenbrillen, um unsere Vorfreude und die atemberaubende Landschaft mit den schneebedeckten Gipfeln fotographisch festzuhalten.
Am Abend merkten wir dann nach zeitaufwendigem Verlaufen auf den steinigen alpinen Wegen zum ersten Mal so richtig, dass wir uns keine zu kleine Herausforderung rausgesucht hatten. Diese Tour würde wirklich etwas von uns verlangen. Wenn wir jetzt an die ersten drei Tage zurück denken, erinnern wir uns nur zu gut, wie wir an Tag 2 beim Bergabgehen die Knie merkten, wie wir zum ersten Mal einen Weg umsonst hochliefen und dann erst wieder auf den richtigen Pfad fanden und wie ein jeder von uns mit der neuen Belastung an Schultern, Rücken, Hüften, Knien und Beinen ( ok, also eigentlich am ganzen Körper) zu schaffen hatte. Die ersten Tage waren hart, aber gleichzeitig auch wunderschön, trotz der Strapazen hatten wir so viel zu lachen, dass wir auch noch die Bauchmuskeln trainierten. Schnell stand dann nur fest: eine Erleichterung der Rucksäcke muss her ( 27 , bzw. 21 kg waren zu viel!!!). Und somit gingen wir an Tag 5 morgens früh zur Post und schickten sämtliches unnötiges Zeug zurück: zwei Handtücher, einen Teller, Kleidung, eine kleine Musikbox und noch mehr. Auch ein Zelt konnte getrost nachhause reisen, denn wie man auf unseren Schlafplatzbildern sehen kann, haben wir ab der zweiten Nacht nur noch Gebrauch von einem gemacht. So sind wir dann einige Kilos Gepäck losgeworden und fühlten uns im wahrsten Sinne des Wortes „erleichtert“. Wir trauerten auch nicht um die Sachen, denn nun am Ende der Tour, wissen wir es genau: Man braucht nicht viel! Im Gegenteil: Mit weniger zu reisen, erweist sich in jeder Hinsicht nur als Vorteil. Weniger, an das man denken muss… weniger, dass man waschen muss… weniger, dass man schleppen muss. Ohne diese Erleichterung hätten wir die Tour auch nie geschafft, da sind wir uns sicher. Die Beanspruchung wäre so hoch gewesen, dass wir uns womöglich verletzt hätten. Aber so ging es weiter… Alles nahm seinen Lauf. Auf den 22 Tagen in Österreich hatten wir oft gutes Timing: immer nach dem Zeltaufbau abends hat es geregnet. Meist waren wir so fertig, dass die letzte Kraft nur noch für’s Kochen im Vorzelt ausreichte. Ja, selbst das einfache Abstützen auf dem Ellebogen im Zelt war nicht mehr möglich und löste Schmerzen aus, da die Schultern vom Rucksacktragen einfach so unglaublich strapaziert waren. Wenn der Regen dann auf’s Zelt prasselte saßen wir jeder mit einem Topf Nudeln mit Carbonarasoße im engen Zelt, beziehungsweise lagen vielleicht eher seitlich da, weil keine Position so richtig bequem war. Ja, selbst essen kann anstrengend sein. Und an den Tagen, an denen es sich draußen auf keiner Bank anbot, wurde auch das Frühstück in gekrümmter Sitzposition wieder im Zelt eingenommen. Und anschließend wurde einfach weitergegangen, ohne dass wir an dem Morgen in den Spiegel geschaut hatten. Tatsächlich war es dann immer wieder ein sehr komischer Moment tagsüber auf einer Almhütte auf Toilette zu gehen und plötzlich das eigene Gesicht mal wieder im Spiegel zu erblicken.
Mit all seinen Höhepunkten, was bei den ganzen Gipfelkreuzen auch wörtlich zu verstehen ist, haben wir den Alpe- Adria mit Zelt bewältigt, währenddessen die alltäglichen Dinge wie einkaufen, kochen und sauber machen (= Zelt ausschütteln) erledigt und gleichzeitig die Faszination des Unterwegsseins und die Bekanntschaften, die man dabei macht, erlebt. Selbst die härtesten Tage- dabei denken wir beide an Tag 23 ( bei Unwetter und Kälte über den Schwarzkogel nach Slowenien)- sind rückblickend doch gleichzeitig mitunter auch die Wertvollsten. Denn die Momente, in denen wir zitternd vor Kälte im Regen im Gebirge standen, Hunger hatten, vor Nebel den Weg kaum fanden und wussten, dass es verrückt ist, noch den ganzen Abstieg möglichst vor Dunkelheit bewältigen zu müssen…, ja, die Momente sind es wohl, an die wir uns für immer erinnern werden. Aber auch ganz andere Sachen waren die besten Erfahrungen an unserer Reise. Gern denken wir an all die besonderen Menschen zurück, die uns unterwegs so freundlich und offen begegnet sind, die uns einfach eingeladen haben, obwohl sie uns nicht kennen und, die großzügig waren. Solche Begegnungen und Einladungen haben wir jedes Mal auf’s neue als großartiges Geschenk empfunden und waren gerührt. Die Menschen sind es auch, die unsere Reise so einmalig gemacht haben. Auch nur eine kleine Plauderei über’s Wandern oder dies und das lassen oft einen glücklichen Moment entstehen, der die Reise zu etwas Einzigartigem macht.
Nachdem wir auf die letzten Hitze- Wandertage die Weinliebe und Herzlichkeit der Italiener selbst erfahren haben, hatten wir nach 37 Tagen unser Ziel Muggia bei Triest erreicht und waren bereit für noch mehr Abenteuer. Ein wenig Action und Adrenalin sollte her, und wir dachten uns…“ Ein Viertausender …, das ist nicht schwer.“ Diese Bergbesteigung war für uns beide vielleicht sogar das Highlight schlechthin der Tour. Wir werden nie vergessen, wie spektkulär die Kletterei hoch hinauf auf’s Lagginhorn war… und, wie geil es dann erst war, am Gipfelkreuz über den Wolken zu stehen. Einmalig!!!
Da wir nach dem Alpe- Adria Trail eine Europareise mit Interrail- Ticket dranhingen und auf diese Art zahlreiche Städte und Länder entdeckten, legten wir auf der ganzen Reise insgesamt 10858 Kilometer zurück. Davon 900 Kilometer zu Fuß, 8473 Kilometer per Zug, 180 Kilometer per Fähre und 1305 Kilometer im Flieger. Knapp eine Woche, nämlich 6 Tage, 14 Stunden und 30 Minuten verbrachten wir somit insgesamt in Verkehrsmitteln. Wir haben insgesamt 41 verschiedene Fahrzeuge genutzt, darunter 25 verschiedene Züge.
Besonders stolz sind wir aber auch, dass wir es geschafft haben in den 37 Tagen auf dem Trail fast durchgehend bei jedem Wetter zu zelten. Lediglich an 4 der 37 Tage auf dem Trail war es für uns nötig, ein Zimmer zu nehmen. Ernährt haben wir uns mindestens genauso oft, wie wir gezeltet haben, von unserem Standard- Gericht Nudeln… Dies führte sogar soweit, dass wir einmal beim Nudelkochen von der Polizei ermahnt wurden. Aber wir testen eben gern die Grenzen aus, und das in jeder Hinsicht, auch beim Nudelkochen.
Selbst, als wir im Anschluss an ein paar Stadtbesichtigungen eine gute Woche Strandurlaub am schwarzen Meer machten, ließ uns unser Tatendrang und Ehrgeiz nie ganz los und wir übten ewig lang an einem akrobatischen Schulterstand, brachten uns Fußballtricks bei oder dachten uns neue Sachen aus. Auf den letzten Zugfahrten lernten wir nebenbei mit einer App alle Länder der Welt auswendig und konnten gar nicht mehr damit aufhören. Da sind wir beide auch haargenau gleich- Wenn uns eine Sache packt, dann ziehen wir sie auch durch!
So war es ja auch mit der 37- Tage- Extremwanderung bei uns: Wir haben es einfach durchgezogen. Gleichzeitig haben wir uns bei einer der härtesten Sachen, die man nur machen kann, kennengelernt und auch lieben gelernt, waren 62 Tage lang keine Stunde getrennt und sind auf der allerschönsten, extremsten und verrücktesten Reise unseres Lebens zusammengekommen.
Nach wie vor der Tour können wir nun wieder sagen: „Das ist erst der Anfang.“ Wir sind uns sicher, dass wir in Zukunft noch weitere spannende Reiseideen in die Tat umsetzen werden.
Um von unserer ersten Reise noch brandneue Fotoeindrücke zu bekommen, geht’s hier zum Update der Galerie. [Link]
Zum Abschluss unserer ersten Tour möchten wir vor allem eins sagen: Danke an euch alle!!! Zuallererst danke an all unsere vielen LeserInnen! Besonderen Dank auch all denen, die uns mit Nachrichten und Kommentaren immer wieder neue Motivation geliefert haben! Ihr seid der Hammer! Und nicht zuletzt danken wir den tollen Menschen, die uns mit Spenden auf dieser Reise unterstüzt haben. Ein ganz großes Dankeschön auch an unsere Familien und an unsere Eltern, die uns erst auf diese Reise haben aufbrechen lassen, uns unterstützt haben und uns trotz unserer sehr ausgeprägten Verrücktheit einfach machen lassen haben. Danke!